Künstliche Intelligenz und Kunst

Bild: gustavo centurion / Unsplash

Ist das überhaupt noch Kunst? Gilt Kreativität nicht als rein menschliche Eigenschaft? Was kann KI in der Kunst leisten, was der Mensch nicht kann – und umgekehrt?

von Peppi Boesler

Künstliche Intelligenz (KI) begegnet uns schon heute in fast allen Bereichen des Lebens – vom autonomen Fahren, über Sprachassistenten bis hin zu Diagnosesoftwares, die Krankheitsbilder analysieren. Ein eher ungewöhnlicher Anwendungsbereich der KI, der sich jedoch auf immer weitere Themenfelder ausweitet, ist die Kunst. Künstliche Intelligenz wird nicht nur dafür eingesetzt, um Gemälde und Zeichnungen zu kreieren, wie das 2018 für 432.000 US-Dollar in New York versteigerte KI-Gemälde „Edmond de Belamy.“ KI-Softwares komponieren auch Musikstücke und verfassen Drehbücher für Fernsehserien. Zuletzt hat der Wissenschaftsverlag Springer Nature das erste, ausschließlich von einer Künstlichen Intelligenz verfasste Buch publiziert.

Trotz diesen medienwirksamen Fortschritten argumentieren Kritiker, dass Kunst Inspiration erfordere, die keine Maschine simulieren könne. Denn Kreativität gilt weiterhin als rein menschliche Eigenschaft. Dabei ist der Einsatz von Technik in Kunst und Kultur nichts Neues. So verwenden Musiker*innen seit Jahrzehnten elektronische Elemente in der Musikproduktion, Designer*innen benutzen verschiedenste Softwares, die sie bei der Gestaltung von neuen Ausarbeitungen unterstützen und niemand verfasst mehr einen Text ohne Rechtschreibprüfung.

 

KI spielt die Musik

In der Musikbranche schreitet Künstliche Intelligenz immer weiter voran, Algorithmen steuern auf Spotify längst Playlists, KI-Softwares wie „Endel“, „Aiva“ oder „IBMs Watson Beat“ erobern den Musikmarkt und versorgen unter anderem Computerspiele mit Begleitmusik. Verschiedene Anbieter wie zum Beispiel „Amper Music“ oder „Jukedeck“ arbeiten an der Schnittstelle von Musikproduktion und KI. Sie stellen auf ihren Webseiten KI-Softwares zur Verfügung, die Musik komponieren. Die Nutzer*in wählt ein Genre, die Länge des Songs, die Instrumente, die Harmonien und die Stimmung aus, woraufhin der Algorithmus in sekundenschnelle ein noch nie dagewesenes Musikstück berechnet. Natürlich durchläuft das Stück einen weiteren Entstehungsprozess, denn viele Ideen können ausprobiert, umgeändert und umgeschrieben werden.

Auch auf andere Weise können Mensch und Maschine in der Musikbranche kreativ zusammenarbeiten. Die Musikerin Holly Herndon programmierte ihre eigene KI, mit der sie nun gemeinsam auf ihrem neuen Album „Proto“ singt. Die KI „Spawn“ wurde mit von Menschen produzierten Gesängen und Klängen gefüttert, um auf Basis dieses Inputs ihre eigene Stimme zu entwickeln. Anhand dieser Beispiele wird klar, dass schon heute Musiker*innen und Maschinen zusammen arbeiten können, um gemeinsam Musik zu gestalten.

 

Ein künstlicher Picasso?

Der Einsatz von KI in der Malerei reicht von zeichnenden und malenden Robotern bis hin zu Algorithmen, die mit Hilfe von 3D-Druck Kunstwerke entstehen lassen. Aber ist das Kunst, was ein Algorithmus mit Hilfe einer feinen Mechanik erzeugt? Im Oktober 2018 wurde ein mit KI erstelltes Gemälde mit dem Titel „Edmond de Belamy“ für gut 432.000 Dollar im Auktionshaus Christie’s in New York versteigert. Das Kunstwerk entstand, indem eine Maschine mit 15.000 Porträts aus mehreren Jahrhunderten gefüttert wurde. Also können Maschinen tatsächlich Kunst schaffen? „Nicht wirklich“, sagt Holger Volland, Experte für Künstliche Intelligenz in einem Interview mit Deutschlandfunk Kultur. Volland argumentiert, dass Maschinen Kreativität nur imitieren. Nichtsdestotrotz, die Wirkung dieser Kreationen auf den Menschen können vollkommen identisch sein zur Wirkung von menschlichen Kreationen.

 

Die Roboter-Autoren

Im Frühjahr 2019  ist im Wissenschaftsverlag „Springer Nature“ das erste von einer KI verfasste Buch erschienen. Es enthält Zusammenfassungen der neuesten Forschungsliteratur über Lithium-Ionen-Batterien. Die Künstliche Intelligenz basiert auf einem Algorithmus, den Wissenschaftler der Goethe-Universität entwickelt haben. Es ist das erste Mal, dass ein von einem Computer geschriebenes Buch von einem Verlag veröffentlicht wurde. Dennoch: „Ersetzen kann die KI den menschlichen Autor nicht“, argumentiert der Studienleiter Christian Chiarcos. Das Problem ist, dass die Deep-Learning-basierten Verfahren in ihrer Qualität sehr schwer kontrollierbar sind, insbesondere in ihrer faktischen Richtigkeit. Chircos sieht die computergenerierten Systeme demnach vielmehr als Werkzeuge, die den menschlichen Autor unterstützen sollen. Diese Technologien bieten die Möglichkeit, aufwendige Recherchearbeit beim Verfassen von Literatur zu verkürzen, indem das Programm einen automatisch generierten Literaturüberblick erstellen kann. KI ist heute schon in der Lage, große Datenmengen zu sammeln, zu analysieren und  zu kategorisieren. Doch in naher Zukunft werden Roboter-Autoren keine Bestseller schreiben. Denn eine zusammenhängende Handlung zu kreieren, ist für eine KI bei weitem komplexer, als  Zusammenfassungen der neuesten Forschungsliteratur zu erstellen.

 

„AI-CD Beta“ – Der humanoide Creative Director

Auch andere Berufsfelder, die Kreativität und Einfallsreichtum vorauszusetzen schienen, werden von den neuen Möglichkeiten der KI erobert. So setzt die Werbeagentur McCann seit 2016 den Roboter „AI-CD Beta“ ein, der in der Agentur als Creative Director arbeitet. AI-CD Beta analysiert, kategorisiert und dekonstruiert die Daten erfolgreicher Werbespots der vergangenen Jahre. Auf Basis dieser Datensätze kreiert AI-CD Beta neue Werbespots ganz nach Kundenwunsch. Seine menschlichen Kolleg*innen geben die Wunschvorstellung der Kund*innen in die Benutzeroberfläche ein, woraufhin der Roboter Regieanweisungen für den Werbespot erstellt. AI-CD Betas menschliche Kolleg*innen müssen am Ende nur noch die Anweisungen umsetzen.

Darüber hinaus gewinnt KI vor allem durch personalisierte Werbung an Bedeutung. Denn der Einsatz von Künstlicher Intelligenz hat die Werbung mit Produktempfehlungen umfassend transformiert. So werden etwa semantische Textananalysen genutzt, um die Online-Suchen der Kund*innen zu analysieren und Webseiten, Suchergebnisse und Werbeanzeigen genau auf die Kundenprofile zuzuschneiden. Darüber hinaus ist Machine Learning in der Lage, große, sich ständig verändernde Datenbestände zu verarbeiten und vorherzusagen, welche weiteren Produkte für Käufer*innen von besonderem Interesse sein könnten. Künftig werden besonders jene Händler erfolgreich sein, die Kund*innen durch personalisierte Werbung, Marketing und Dienstleistungen an sich binden.

 

Ausblick: Künstlich und dennoch kreativ?

Kann eine KI auch ohne das Mitwirken von Menschen kreativ sein? Wohl kaum, denn noch imitiert KI nur Werke, die vom Menschen bereits geschaffen wurden. Jede KI ermittelt eine Funktion, welche die ihr zugefügten Daten repräsentiert. Diese Funktion stellt auf die ein oder andere Weise ein Mittelmaß dieses Datensatzes dar. Ein Werk, das sich am Mittel allen bisher Dagewesenen orientiert, vermag die schöpferische Erfindungshöhe der Werke großer Künstler*innen, die in ihrer Zeit etwas radikal Neues erschaffen haben, nicht nachzuahmen. Ist es also ausgeschlossen, dass eine KI den nächsten Sommerhit  komponiert? Keineswegs, denn das Mittelmaß ist ein überaus erfolgreiches Konzept. In der Massenproduktion von Kunst wird die KI daher in Zukunft einen festen Platz einnehmen. Den KI-Systemen jedoch schon heute echte Kreativität zuzusprechen, wäre verfrüht. Dennoch, durch die Versteigerung von KI-Kunstwerken und millionenfachen Klicks für KI-Kompositionen wird diesen Werken ein Wert zugesprochen, ungeachtet der Frage nach künstlicher Kreativität.